Lehrveranstaltung und -termine, Stand: 16.03.10 10:38
Molecular Computing   -   Dr. Thomas Hinze, Dipl.-Bioinf. Martin Pohl2 Termine
Sommersemester 2010; Biologisch-Pharmazeutische Fakultät -> Lehrstuhl für Bioinformatik
Biologische Computer nach dem Vorbild der Natur bieten eine interessante Alternative zu derzeit etablierten Rechnerarchitekturen, Programmierparadigmen und algorithmischen Konzepten. Mit dem zunehmenden Verständnis molekularbiologischer Prozesse lässt sich die Idee, Biopolymere als Datenträger einzusetzen und gezielt zu verändern, immer besser verwirklichen. Darauf basierende biomolekulare Rechentechnik in vitro verspricht hohe Speicherkapazität und -dichte, Miniaturisierung, Biokompatibilität sowie eine massiv datenparallele Informationsverarbeitung. Die Lehrveranstaltung gibt einen interdisziplinären Überblick über den gegenwärtigen Kenntnisstand in Theorie und Praxis und thematisiert auch die dabei zu bewältigenden Herausforderungen.

Für die erfolgreiche Teilnahme an der einsemestrigen Veranstaltung (1 SWS Vorlesung, 1 SWS Übung) wird ein Leistungsnachweis über 3 LP (ECTS credits) vergeben. Voraussetzung ist neben der regelmäßigen Bearbeitung der Übungsaufgaben ein Vortrag (ca. 20min), der einen Fachartikel zur Thematik aufbereitet und vorstellt.

Inhalte:
- Biomolekulare Algorithmen in vitro:
In der Entwicklung experimenteller Implementierungen in vitro liegt das Potenzial für technische Anwendungen molekularer Computer. Ausgehend vom Adleman-Experiment zur Lösung des Hamiltonkreisproblems werden richtungsweisende Konzepte vorgestellt, die das Fachgebiet und seine Methoden prägen. Hierzu gehören neben den bereits etablierten DNA-Chips insbesondere Mikroflussreaktoren, Selbstorganisationsprinzipien von DNA- und RNA-Fragmenten, Whiplash-Techniken, DNA-Splicing, Hairpin-basierte Verfahren, fehlerkorrigierendes Sequenzdesign und Vorstufen molekularer Maschinen. Standardverfahren der Gentechnologie wurden hierfür modifiziert, weiterentwickelt und miteinander kombiniert.

- Modelle und Programmiersprachen für molekulare Computer:
Berechnungsmodelle sind Beschreibungsmittel der theoretischen Informatik, mit deren Hilfe eine ressourcenabhängige Klassifizierung von Berechnungsstärke und -aufwand verschiedener Computingkonzepte gelingt. Turingmaschinen bilden z.B. solche Berechnungsmodelle, die mit einem minimalen Operationssatz als frei programmierbar gelten. In Bezug auf molekulare Computer treten u.a. Filteringmodelle, die Sprache DNA-Pascal, Insertion-Deletion-Systeme, Splicing-Systeme (Mehrtubesysteme), Watson-Crick-Automaten und P-Systeme an diese Stelle. Im Vorfeld verfeinernder Simulationen zur Vorbereitung laborpraktischer Arbeiten ermöglichen diese Berechnungsmodelle die Konstruktion wie auch Verifikation molekularer Algorithmen im Sinne konzeptioneller Studien.

- Labornahe Simulation molekularer Computer:
Simulationen auf Basis hinreichend genauer Modelle dienen zur Analyse komplexer Systeme. Sie liefern Prognosen über das erwartete Systemverhalten, gestatten kostengünstige Untersuchungen von Was-wäre-wenn-Szenarien und zeigen Ansatzpunkte für mögliche Systemoptimierungen. Reaktionssysteme, Kollisionsmodelle und thermodynamische Ansätze zieht man hauptsächlich zur Simulation der Arbeitsweise molekularer Computer heran. Ausgewählte Simulationsmethoden für funktionelle Bausteine molekularer Computer werden auf der Abstraktionsebene der Sekundärstruktur zugrunde liegender Biomoleküle vorgestellt und demonstriert. Daraus resultierende probabilistische wie auch deterministische Prozesssimulationen geben Auskunft über Effizienz und Genauigkeit molekularer Algorithmen, indem sie Seiteneffekteinflüsse identifizieren und quantifizieren.

Qualifikationsziele:
Die Studierenden sollen einen Einblick in unkonventionelle Computingkonzepte erhalten und für die damit verbundenen Chancen wie auch Herausforderungen sensibilisiert werden. Die Philosophie und Programmierung molekularer Computer vermittelt eine Reihe von Denkanstößen jenseits der verbreiteten Programmierparadigmen und öffnet den Blick für vielschichtige Anwendungen an der Schnittstelle zwischen Informatik und den Wissenschaften des Lebens.

Literatur:
- Ausgewählte Fachartikel
- M. Amos. Theoretical and Experimental DNA Computation. Springer, 2005
- C. Calude, G. Paun. Computing with Cells and Atoms. Taylor & Francis, 2001
- L.N. de Castro. Fundamentals of Natural Computing: Basic Concepts, Algorithms, and Applications. Taylor and Francis, 2006
- M. Gheorghe. Molecular Computational Models: Unconventional Approaches. IGI Global, 2005
- T. Hinze, M. Sturm. Rechnen mit DNA - Eine Einführung in Theorie und Praxis. Oldenbourg, 2004
- Z. Ignatova, I. Martinez-Perez, K.H. Zimmermann. DNA Computing Models. Springer, 2008
- N. Jonoska, G. Paun, G. Rozenberg (Eds.). Aspects of Molecular Computing. Springer, 2004
- N. Krasnogor, S. Gustafson, D.A. Pelta, J.L. Verdegay (Eds.). Systems Self-Assembly: Multidisciplinary Snapshots. Elsevier, 2008
- G. Paun. Computing with Bio-Molecules: Theory and Experiments. Springer, 1998
- G. Paun, G. Rozenberg, A. Salomaa. DNA Computing. Springer, 1998
- T. Sienko, A. Adamatzky, N. Rambidi, M. Conrad. Molecular Computing. MIT Press, 2003
    Alle Termine sortiert nach Typ und Dozent | Name | Zeit und Ort
    Vorlesungen
    Vorlesung zu Molecular Computing
    Dienstags 14:15 - 15:45, Ernst-Abbe-Platz 2, Seminarraum 3423Dr. Thomas Hinze
    Einschreibung über CAJ, max. 30 Teilnehmer  
    Beginn am 06.04.2010, dann im flexiblen Wechsel mit der Übung.

    Statistics
    Übungen
    Übung zu Molecular Computing
    Dienstags 14:15 - 15:45, Ernst-Abbe-Platz 2, Seminarraum 3423Dipl.-Bioinf. Martin Pohl
    Einschreibung über CAJ, max. 30 Teilnehmer  
    Beginn am 13.04.2010, dann im flexiblen Wechsel mit der Vorlesung. Die Veranstaltungen am 22.06., 29.06. und 06.07.2010 sind für studentische Vorträge vorgesehen. Bei Bedarf wird noch ein Termin für Vorträge in der Woche vom 12.-16.07.2010 anberaumt.

    Statistics